Börsegeschichten für BoerseGeschichte - Herzstück der Börse (Ludwig Nießen)
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Drei Jahrzehnte zeichnete Ludwig Nießen für die technischen Agenden der Wiener Börse verantwortlich. Im Juni hat er mitgeteilt, dass er sein Vorstandsmandat nicht mehr verlängern wird. Künftig möchte er sich neuen Aufgaben widmen, aber auch etwas tun, das er bislang lieber unterlassen hat. Wir haben mit ihm zurück und nach vorne geblickt.
Herr Nießen, in den abgelaufenen dreißig Jahren hat sich technologisch sehr viel getan, auch an den Börse. Wie haben Sie das erlebt und welche ihrer größten Projekte würden Sie hervorheben?
Ludwig Nießen: Wir alle erleben ja tagtäglich mit, wie schnell die technologische Entwicklung passiert. Auch an der Börse. Vor dreißig Jahren gab es vielerorts noch einen Präsenz-Handel, heute erfolgt der Handel zunehmend automatisch.
Im Jahr 1991, als ich bei der Wiener Börse begonnen habe, stand der Aufbau der ÖTOB als vollelektronische Termin- und Optionenbörse im Fokus. Ein weiterer Meilenstein war natürlich die Einführung der elektronischen Handelssysteme, wie etwa Xetra, oder auch der Aufbau der Strombörse EXAA. Die abgelaufenen Jahre haben wir dann auf das neue und sehr moderne Handelssystem T7 umgestellt. Und natürlich muss man auch die Zusammenarbeit mit einigen CEE-Börsen, wie z.B. Laibach oder Zagreb, erwähnen, für die wir bekanntlich als Technologie-Partner fungieren.
Man kann behaupten, dass mit der Technologie die internationalen Teilnehmer gekommen sind.
Das stimmt. Für einen mittelgroßen Handelsplatz wie Wien ist es von enormer Wichtigkeit technologisch am neuesten Stand zu sein, um allen Marktteilnehmern einen reibungslosen Handel zu ermöglichen. Eine friktionsfreie Anbindung ist für die internationalen Handelsteilnehmer eine Bedingung für den Markteintritt. Ich freue mich natürlich, dass die Technologie den heimischen Börsenplatz durchaus auszeichnet und vor allem, dass neue technologische Möglichkeiten stets sehr früh umgesetzt wurden. Auch in der Abwicklung sind immer Topsysteme zum Einsatz gekommen. Die Post-Tradingstruktur, also die Abwicklung und Lieferung der Instrumente, muss bestens organisert sein. Wir haben auch hier schon früh ein fortschrittliches Abwicklungsreglement geschaffen. Im internationalen Umfeld ist es extrem wichtig, einen Standard zu bieten, der erwartet werden kann.
Blicken wir ins Jahr 1991 zurück. Wie sind Sie denn zu dem Job an der Wiener Börse gekommen?
Ich bin ja eigentlich studierter Physiker und habe damals in Genf beim CERN gearbeitet. Dann bekam ich die Möglichkeit, das Risikomanagement am österreichischen Terminmarkt zu übernehmen und habe mich mit meiner Familie entschieden nach Wien zu gehen. Dazu muss ich anmerken, dass das Clearing und Risikomanagement damals an der Deutschen Terminbörse auch von einem Physiker besetzt war. Der damalige Wiener Börse-Chef, Christian Imo, der von der Deutschen Terminörse nach Wien wechselte und die ÖTOB aufgebaut hatte, wollte unbedingt auch in Wien einen Physiker für diese Position haben. Meine Besetzung war also reiner Zufall, der aber meinen weiteren Weg nachhaltig bestimmt hat.
Und nun lassen Sie uns noch nach vorne blicken. Wie werden Sie die Zeit ab Mai 2021 verbringen?
Ich habe nach 30 Jahren den Wunsch noch etwas anderes zu machen. Konkrete Pläne gibt es zwar noch nicht, aber ich kann mir durchaus vorstellen, mein Know-how jungen Unternehmen zur Verfügung zu stellen und eventuell IT-Prozesse zu begleiten. Und was ich unbedingt auch noch machen werde, ist in österreichische Aktien investieren. Ich habe das bisher unterlassen, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Es gibt an der Wiener Börse aber viele gute Unternehmen, an deren Erfolgen ich künftig teilhaben möchte.
Seit 1991 für die reibungslosen technologischen Abläufe an der Wiener Börse verantwortlich. Er führte das erste elektronische Handelssystem an der Wiener Börse ein. Der Aufbau des österreichischen CCPs, der Strombörse EXAA sowie auch die Anbindung internationaler Handelsteilnehmer gehen maßgeblich auf ihn zurück. Zudem ist Nießen für die Technologie der Partnerbörsen Budapest, Laibach, Prag und Zagreb, für welche die Wiener Börse als technischer Systembetreiber fungiert, verantwortlich.
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